Der Teufelskreis:
Der Engelskreis:
In weitere Folge werden in dieser Studie vier Phasen unterschieden, die sich mit meiner Erfahrungen aus 25 Jahren Beratungspraxis zu 100% decken:
- Phase der Identifikation
- Phase der Exploration
- Phase: Erwerb eigener Identität
- Phase: Ausformung einer reifen Partnerschaft
Wer das Managen von Beziehungen und Konflikten aktiv erlernen will, ist gut beraten, diese Entwicklungsphasen in Systemen zu verstehen. Im Privat- wie auch in Arbeitsbeziehungen gelten dieselben Bedingungen: Die Begeisterung für den Anderen zu Beginn kommt ganz von alleine, aber eine dauerhafte und für beide Seiten zufriedenstellende Bindung und Partnerschaft muss erarbeitet werden.
Auch in einer Franchise-Beziehung steht am Anfang eine hohe Motivation miteinander wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Nach der anfänglichen „Verliebtheit“ zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer kehrt der Alltag in die Franchise-Partnerschaft ein. Nun müssen beide Seiten die bestehende Arbeitsbeziehung hegen und pflegen, um sie aufrecht zu erhalten.
Im Angesicht einer betriebsamen Alltagsroutine gehen so manche guten Vorsätze und Ideen unter. Auf der fachlichen Ebene läuft ohnehin alles reibungslos, also warum Zeit investieren wollen, wo keine zur Verfügung steht?
Aber nach und nach geraten Sandkörner in das Getriebe der Arbeitsbeziehung. Aus anfänglicher Harmonie entstehen Unstimmigkeiten, die zu stillen oder auch ausgesprochenen Konflikten führen können. Unverständnis und Missverständnisse tragen dazu bei, dass der abnehmende Stellenwert des Beziehungsklimas zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer erkennbar wird. Oft ist das eine schmerzliche Erkenntnis.
Die aktuelle Phase, in der sich eine Franchise-Partnerschaft befindet, zu erkennen und gekonnt darauf zu reagieren ist daher auch das Ziel eines erfolgreichen Franchise-Beziehungsmanagements: Aus der ersten Phase der Identifikation kommen die Partner in die zweite Phase der Exploration bevor sie in der dritten Phase zum Erwerb eigener Identität gelangen und schließlich in der vierten Phase gemeinsam an der Ausformung einer reifen Partnerschaft arbeiten können.
Wichtig ist zu erkennen: Alle Phasen müssen durchlaufen und bewältigt werden - ohne die Phasen eins bis drei ist Phase vier nicht erreichbar!
Nun lässt sich durch unsere Studien mit Dr. Buchners Institut für Wirtschaftspsychologie eindeutig belegen, dass die Konflikthäufigkeit und -intensität von Phase zu Phase unterschiedlich ausgeprägt ist. Dementsprechend scheint es sinnvoll zu sein, das Partnermanagement und den Umgang mit gegebenenfalls auftretenden Konflikten an diesem Phasenablauf zu orientieren:
- Phase der Identifikation:
Die Phase des gegenseitigen Kennenlernens. Unsicherheiten, Stress, Ängste ergeben in dieser „regressiven Phase“ ein relativ geringes Konfliktpotential. Die Chance auf Identifikation, eine hohe Präsenz und hohe Verlässlichkeit sowie der engere Kontakt zum persönlichen Bezugspartner sichern die Entwicklung der Beziehung in dieser Phase ab. Vorvertragliche Aufklärung, enger Kontakt, persönliche Gespräche und die solide Grundausbildung sind entscheidend. Wichtig ist der erfolgreich Aufbau von (Grund-)Vertrauen. - Phase der Exploration:
Hier steigt das Konfliktpotential an. Aus ersten Erfolgen resultieren kleine Trotzigkeiten sowie eine gewisse Experimentierfreude. Ein Begleiten statt einem Lenken ist hier sinnvoll. Natürlich gibt es Grenzen, aber diese dürfen nicht als Einengung verstanden werden. Wenn es gelingt, negative Gefühle in positive umzuwandeln, etwa durch wertschätzende Gespräche, wird das gegenseitige Vertrauen in dieser „kritischen“ Phase nicht leiden, sondern verstärkt. - Erwerb eigener Identität:
Der Franchise-Partner ist etabliert. Die Konfliktpotentiale erreichen einen ersten Höhepunkt. Beim Franchise-Nehmer entstehen eigene Ideen. Die Folge ist eine Abgrenzung zum Franchise-Geber und der Versuch der eigenen Profilierung. Es kommt fast zwangsläufig zu Regelüberschreitungen. Hilfreich ist, wenn der Franchise-Geber die Phase der Profilierung unterstützt, wenn er verhandelt anstatt anzuordnen. Dazu gehört auch, Konflikte auszutragen, anstatt bedingungslos zu harmonisieren. Belohnt wird dieses Bemühen durch eine erkennbar starke Integration des Franchise-Nehmers und das Gefühl der Sicherheit auf beiden Seiten. Im Regelfall entwickeln Franchise-Nehmer in der dritten Phase gewisse Abnabelungsbedürfnisse: Flirtversuche mit anderen Systemen, oder eine ausgeprägte Experimentierfreude in Bezug auf Produkte, Dienstleistungen oder Marketing und Vertrieb. Wenn der Franchise-Geber in dieser Phase nicht permanent auf den Dingen herumreitet, die ihm negativ aufstoßen, dann eröffnet er neue Chancen zur Entwicklung des „Wir-Gefühls“. Eine Möglichkeit wäre es, Franchise-Nehmer gerade in dieser Zeit in ein Gremium oder in den Beirat einzuladen. In dieser neuen Rolle hat der Franchise-Partner dann Gelegenheit, seine eigene Identität zu entwickeln und zu festigen. Vor allem aber werden dort tendenziell negative Gefühle in ein positives „Wir-Gefühl“ umgepolt. In meiner Beratungstätigkeit erlebe ich immer wieder, dass jene Partner besonders loyal sind, mit denen Konflikte entsprechend ausgetragen wurden. So wird die vierte und letzte Stufe erreicht. - Ausformung einer reifen Partnerschaft:
Die Zusammenarbeit ist fruchtbar, entspannt und erfolgreich. Beide Partner erkennen, wie sie am Erfolg des anderen mitwirken. Die Franchise-Nehmer werden zunehmend in die Gesamtentwicklung des Systems einbezogen – etwa im Zuge von Beteiligungsmodellen, durch die Teilnahme an Buddy-Systemen oder im Beirat. Aus Beziehungskonflikten werden konstruktive Diskussionen. Der Franchise-Nehmer entwickelt sich immer deutlicher zu einer positiven Identifikationsfigur für alle Beteiligten im System. Die gegenseitige Abhängigkeit wird positiv erlebt und erlaubt auch eine Akzeptanz der Unterschiedlichkeiten.
Entwicklungsphasen im Franchising
Ganz klar haben diese psychologischen Untersuchungen gezeigt, dass diese Phasenverläufe auch in Handlungsanleitungen umsetzbar und damit „praxistauglich“ sind.
Nun ist die Dauer der einzelnen Phasen zwar nicht exakt vorhersagbar, aber als Faustregel kann ein Jahr pro Phase angesetzt werden. In vielen Franchise-Systemen liegt die dritte, besonders heikle Phase der Partnerschaft etwa im dritten Jahr: Nach der Verliebtheit des ersten Jahres, der Gewöhnung im zweiten kommt es im dritten Jahr manchmal zu Unruhe und Aufruhr. Franchise-Geber, die sich auf diesen Lebenszyklus oder „Fahrplan zur Phase vier“ einstellen können, werden das „Potential der Softfaktoren“ besonders effektiv zur Geltung bringen können und die Phasen eins und zwei gelassen meistern. Es sei noch einmal betont: Jede reife Partnerschaft (Phase vier) braucht die Phasen eins bis drei, um sie zu erreichen!
An alle (potenziellen) Franchise-Nehmer, die diesen Artikel lesen:
Auch wenn hier vordergründig immer an den Part des Franchise-Gebers appelliert wird, heißt dies im Umkehrschluss nicht, dass Franchise-Nehmer bei der Ausbildung der Softfaktoren und bei der Entwicklung des „Wir-Gefühls“ frei von Verantwortung sind. Ganz im Gegenteil. Auch Franchise-Nehmer müssen ihren Teil zum gemeinsamen Erfolg beitragen und sollten über „ihren Lebenszyklus“ Bescheid wissen. Dann werden sie ihre eigenen Befindlichkeiten und Reaktionen viel besser verstehen und einschätzen - und auch die der Kollegen innerhalb der Franchise-Nehmergruppe.
Auch für die Partnermanager / Betreuer ist es eine große Herausforderung, die adäquate Sensibilität für dieses Thema zu entwickeln. Nie sind alle Franchise-Partner in der gleichen Phase. Die unterschiedlich lange Zugehörigkeit zum System, aber auch die individuellen Vorgeschichten und Persönlichkeiten bzw. Charaktere kennzeichnen jeden einzelnen Partner und erfordern differenzierte Betreuung und Management.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf einen sehr wichtigen Aspekt besonders hinweisen: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance! Wie sonst auch im Leben zählt im Franchising der erste Eindruck. Auch zwischen Franchise-Nehmern und Franchise-Geber gibt es eine Art „Beziehung vor der Beziehung“. Ich nenne sie gerne die „Minus-Eins-Phase“:
Lange bevor ein Vertrag unterzeichnet wird, nehmen die zukünftigen Partner Dinge wahr, die langfristig nachwirken können. Sie registrieren, wenn auch oft unbewusst, wie sich der andere verhält. Sie speichern einen Großteil jener Signale ab, die das Gegenüber – bewusst oder unbewusst – aussendet. Sie beschreiben also ihre „emotionalen Festplatten“. Ein Franchise-System, das potenziellen Partnern im Erstkontakt unprofessionell gegenübertritt, wird diese Scharte nur schwer auswetzen können.
Je weniger Informationen die Franchise-Nehmer bei oder vor Vertragsabschluss erhalten; je ungenauer die Rolle des Franchise-Gebers dargestellt wird – desto höher ist die Häufigkeit und die Intensität der Konflikte im Laufe der Jahre. Daraus folgt der Umkehrschluss: Je intensiver, offener und ehrlicher die zwischenmenschliche Begegnung ganz am Anfang stattfindet, umso geringer wird die Häufigkeit der Konflikte.
Es gilt: Je professioneller der Franchise-Geber und sein System sich in dieser „Minus-Eins-Phase“ präsentieren, umso höher wird der Motivationspegel über die Dauer der Partnerschaft sein. Wer gestärkt aus der „Minus-Eins-Phase“ in eine Partnerschaft geht, wird künftig toleranter sein, wenn einmal Fehler oder Missstimmungen auftreten. Umgekehrt wird ein Partner, der sich aufgrund frühzeitiger Frustrationen innerlich vom Franchise-System verabschiedet, später ein Vielfaches an Betreuungsenergie auf sich ziehen.
Abschließend stelle ich fest: Es kann keine „Patentlösungen“ für erfolgreiches Beziehungsmanagement geben. Gute Partner sind starke Persönlichkeiten und das ist gut so. Ich bin aber überzeugt: Das Wissen um die Lebenszyklen kann helfen, eine Franchise-Partnerschaft erfolgreich zu gestalten. Deshalb bezeichne ich in meinem Buch Franchising auch als „people management“.